Handala Leipzig – wo Solidarität ein Ende haben sollte

Wir veröffentlichen aufgrund aktueller Debatten einen Text des linXXnet-Kollektiv aus dem Dezember 2024. Nicht inkludiert sind die seitdem stattgefundenen Vorfälle und gelaufenen Debatten, zum Beispiel um die Antisemistismus-Definiton. Der aktuelle Veröffentlichungsanlass ist der am Samstag, 23. August stattfindenen Marsch auf den Leipziger Flughafen gegen Waffenlieferungen nach Israel, bei dem die Linke Leipzig mit Handala kooperiert. Das finden wir falsch.  Es widerspricht den programmatischen Grundlagen unserer Partei und einer linken Position, die sich einer friedlichen Lösung für alle Seiten in Nahost verschrieben hat.

Seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023, infolgedessen über 1200 Menschen starben und über 140 verschleppt wurden, und der militärischen Reaktion Israels mit zehntausenden Opfern in Gaza und dem Libanon, ist auch die innerlinke Debatte in Deutschland eskaliert. Die Lesarten über die Vorgeschichte, über Kriegsführung, Israel und seine rechte Regierung und den antisemitischen Impetus von Hamas und Anhänger*innen differieren stark. Auch die Partei Die Linke ist von diesen Konflikten nicht unverschont. Nach dem Eklat beim Berliner Landesparteitag wegen einer Positionierung zu Antisemitismus wurde gespannt auf den Bundesparteitag in Halle im Oktober geblickt.
Nicht wenige erwarteten eine kontroverse Debatte ohne einen gemeinsamen Kompromiss. In den vorliegenden Anträgen wurden die Schwerpunkte verschieden gesetzt: Es gab Anträge, die einerseits mehr Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung und andererseits ein klares Zeichen gegen Antisemitismus forderten. Der Bundesvorstand sowie die alten und neuen Vorsitzenden der Linken bemühten sich zusammen mit den Antragsteller*innen in der Woche vor dem Parteitag eine gemeinsame Beschlussvorlage zu erarbeiten, die die klare friedenspolitische Position der Linken wiederspiegelt.

Dieser Vorschlag wurde am Freitag fast einstimmig beschlossen und könnte als Erfolg gedeutet werden. Erfolg, weil geschafft wurde miteinander zu reden und Konflikte innerhalb unserer Partei konstruktiv auszutragen und gemeinsam eine Lösung zu erarbeiten, die die verschiedenen Perspektiven vereint und dabei die Hamas klar als islamistisch-terroristische Gruppierung benennt, Antisemitismus eine klare Absage erteilt und gleichwohl eine gerechte Perspektive mit einer Zwei-Staaten-Lösung einfordert. Das Völkerrecht ist Richtschnur des Beschlusses.

Es ist ein Erfolg, weil nun ein Beschluss vorliegt hinter dem sich viele Genoss*innen versammeln können und an dem man sich orientieren und als Partei auch bündnispolitisch weiterarbeiten kann: “Wer in Nahost oder hierzulande antisemitische Ressentiments befeuert, wer das Existenzrecht Israels in Frage stellt, wer gegen jüdische Menschen hetzt oder den Terror der Hamas relativiert, kann für uns ebenso wenig Bündnispartner*in sein wie diejenigen, die rassistische, anti-muslimische oder antipalästinensische Angriffe und Propaganda gutheißen oder betreiben. Für Antisemitismus und Rassismus ist kein Platz in der Linken.” (kompletter Beschluss hier nachzulesen: https://www.die-linke.de/partei/parteidemokratie/parteitag/hallescher-parteitag-2024/hallescher-parteitag/beschluesse-und-resolutionen/detail/news/deeskalation-und-abruestung-in-nahost-fuer-frieden-voelkerrecht-gegen-jeden-rassismus-und-antisemitismus-1-1/)

Trotzdem ließ es sich der Leipziger Verein “Handala” nicht nehmen, am Samstag vor dem Bundesparteitag zu demonstrieren, auch wegen des Beschlusses vom Abend zuvor. Dabei wurden einzelne Genoss*innen in Redebeiträgen wüst beschimpft und denunziert. Einige Delegierte gingen zu deren Versammlung, um mit den Demonstrierenden ins Gespräch zu kommen und forderten später, dass eine Delegation der Protestierenden auf dem Parteitag die Möglichkeit für einen Redebeitrag erhalten. Der Antrag wurde zwar abgelehnt, jedoch stimmten knapp 40% dafür, der Gruppe Rederecht zu erteilen. Die Begründung in der Gegenrede, sie nicht reden zu lassen, war eine technische, für eine 2. inhaltliche Gegenrede war leider keine Zeit. Wir gehen davon aus, dass viele Delegierte nichts mit dem Verein, seiner politischen Ausrichtung und seinen Methoden anfangen können, weshalb wir mit diesem Beitrag zumindest in Leipzig etwas zur Aufklärung beitragen wollen.

Seit Monaten müssen wir uns in Leipzig (und Halle) mit Handala auseinandersetzen. Einegute Zusammenfassung der Geschehnisse findet sich im Beitrag des Stadtmagazin Kreuzer vom 13.10.24 “Ein Jahr Krieg in Nahost – ein Jahr Kampf um die Köpfe. Wie die propalästinensische Gruppe Handala in Leipzig agiert” ( http://l.linxx.net/9h ). Eine Erkenntnis im Beitrag, die auch verschiedene Akteur*innen in Leipzig hatten: “Obwohl sich Handala stets als links und antifaschistisch tituliert, konzentrieren sich die Gruppe und ihre Verbündeten mit ihren Aktionen ausschließlich auf linke und antifaschistische Projekte und Personen. Aktionen der Gruppe gegen die CDU und AfD sucht man vergeblich.” Genoss*innen aus der Partei Die Linke oder aus außerparlamentarischen linken Kontexten werden immer wieder als “zionistisch” diffamiert, weil sie sich gegen Antisemitismus engagieren, abwägende Einstellungen zur aktuellen Lage als Leugnung eines “Genozids” verunglimpft. Demonstrationen mit anderen Schwerpunkten (z.B. zum Internationalen Frauentag am 8.März oder Arbeiter*innenkampftag am 1. Mai) werden versucht zu unterwandern bzw. mit dem Nahostthema überlagert. Hauptbündnispartner*innen von Handala sind linksautoritäre Gruppierungen, Hauptgegnerin scheint die Partei Die Linke zu sein.

So versuchte Handala auch den Landtagswahlkampfauftakt unserer Partei in Leipzig mit diffamierenden Flugblättern zu stören, stellte immer wieder Protagonist*innen unserer Partei im Internet an den Pranger. Inhaltlich stellt Handala das Existenzrecht Israels offensiv infrage, in einem auch auf dem zugehörigen Blog veröffentlichten Text wird der antisemitische Anschlag am 7. Oktober 2023 als „Widerstand“ legitimiert, in Redebeiträgen wird der jüdische Staat als “Siedlerkolonie“ bezeichnet, ihre Demonstrationen trugen immer wieder das inzwischen verbotene Motto “from the river to the sea”, Teilnehmende der Proteste das dazugehörende Schild, auf dem das israelische Staatsgebiet in den Farben Palästinas zu sehen sind.

Einen Tag nach dem Terrorangriff durch Männer der Hamas und anderer islamistischer Gruppen gegen israelische Zivilist*innen feierte Handala u.a. auf Instagram den “palästinensichen Widerstand” und bildete einen Gleitschirm ab. Eine ikonisierende Darstellung davon, wie die Dschihadisten nach Israel eindrangen. Ein Jahr nach dem Terrorangriff bezeichnete eine Rednerin der Handala-Demo den 7. Oktober als “Tag der Befreiung” und kehrte die Freude, die viele an diesem Tag verspürt hätten, hervor (Aufnahme der kompletten Rede vom 7. Oktober 2024 findet man auf dem Instagram-Account von Handala).

In Leipzig tritt Handala vor allem mit der regelmäßigen Anmeldung von Demonstrationen auf. So auch wieder am 2.11.24 – diesmal gemeinsam mit der Linken-AG “Cuba si”. Auf dem Aufruf zur Demo war auch das “Linke Leipzig”-Logo abgedruckt, was zu Kritik führte. Der Stadtvorstand stellte klar, dass die Nutzung des Logos nicht abgesprochen war und dass er hinter dem Beschluss des Bundesparteitags steht. Nach diesem kann Handala kein Bündnispartner der Linken Leipzig sein, denn Handala stellt sowohl das Existenzrecht Israels infrage und relativiert die Verbrechen der Hamas.

Die Vorbereitung des Beschlusses des Bundesparteitages hat gezeigt, dass eine Diskussion auf Augenhöhe zum Thema Nahost möglich ist. Wir wünschen uns eine Auseinandersetzung mit dem Thema mit den Basismitgliedern in unseren Stadtbezirksverbänden oder in Form moderierter Workshops mit Beteiligung von Expert*innen. In den letzten Monaten haben viele Gespräche ergeben, dass Linke-Mitglieder eine klare friedenspolitische Position haben, aufgrund weniger lautstarker Akteur*innen in der Debatte aber kaum gehört werden. Wir sollten uns gegenseitig zuhören und miteinander ins Gespräch kommen, dazu braucht es die Gruppe Handala nicht. Im Gegenteil.

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